Louven, Ri 2021, 49-59
Rechtsfindung als Entdeckungsverfahren
Innovation im Recht und verfassungskonforme Kreativität
Dr. Sebastian Louven
Dieser Beitrag befasst sich mit den erforderlichen Grundlagen rechtsfehlerfreier Entscheidungen in neuen oder unbekannten Sachlagen und bei offenen rechtlichen Schnittstellen.[1] In zahlreichen Konstellationen trifft nicht das Gesetz die abschließende Regelung aller möglicher erfasster Einzelfälle, sondern überlässt die konkrete Entscheidung dem Rechtsanwender. Dieser steht damit in der Verantwortung, eine im konkreten Fall rechtsfehlerfreie Entscheidung zu treffen und die dafür erforderliche Begründung zu geben. Wenn aber die Begründung erst noch für den konkreten Fall gefunden werden muss, stellen sich Fragen nach den rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Vorgehens.
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A. Entdeckungsverfahren und Wissen in spontanen Ordnungen
Die Beschreibung eines Entdeckungsverfahrens geht ursprünglich auf die Wettbewerbs- und Ordnungstheorie zurück. Es folgt aus der Annahme, dass die Möglichkeit einer vollständigen Information bloße Fiktion ist.[2] Die klassischen Wettbewerbstheorien hatten hierzu noch im Zusammenhang mit dem Konzept des vollkommenen Marktes und der sogenannten vollständigen Markttransparenz argumentiert, aufgrund derer die Wirtschaftsteilnehmer immer diejenigen Optionen auswählen, von denen sie sich den meisten Profit versprechen[3] Die Bezeichnung lässt sich jedoch auch auf andere ordnungstheoretische Überlegungen übertragen und damit auch auf die Frage danach, was Recht ist und wie dieses zustande kommt.
Die Zweifel an der Möglichkeit vollständiger Information bezeichnete von Hayek als bestimmendes Charakteristikum des Wettbewerbs. Wettbewerb beschreibt er als „Entdeckungsverfahren“, innerhalb dessen das Handeln der den Wettbewerb Aufnehmenden gerade von der Unwissenheit über wesentliche Umstände getrieben wird.[4] Nach Kirzner entsteht der Marktprozess und in der Folge auch der Wettbewerb aus den Wirkungen, die wiederum aus der anfänglichen Unwissenheit der Marktteilnehmer resultieren[5] – Wissen werde in diesem Zusammenhang durch die Unternehmer im Wettbewerb ständig neu verwertet und in neue Zusammenhänge gestellt.[6]
Wissen und Unwissen beschreiben also die Herausforderung der Teilnehmer im Wettbewerb – oder einem anderen Ordnungssystem –, die für sich besten Entscheidungen zu treffen und sich beispielsweise durch Innovation gegeneinander abzugrenzen und voreinander hervorzutun. Dies geschieht durch Testen der Informationen, die Akteure im Wettbewerb erhalten.[7] Sie allein verfügten demnach über die Fähigkeit, bislang nicht ausgenutzte Gelegenheiten im Wettbewerb zu erkennen – also Wissen zu entdecken – und damit den bisherigen Gleichgewichtszustand des Wettbewerbs als Illusion aufzudecken.[8] Digitale Plattformen verfügen aufgrund ihrer Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung über besonders gute wettbewerbliche Möglichkeiten zur Erlangung von Wissen.
Auch der Staat als Akteur und Anwender in der Rechtsordnung geht mit Wissen um und wird dabei im Entdeckungsverfahren aktiv. Das betrifft zum einen Konstellationen, in denen er selbst Wissensvorsprünge aufgrund seiner Stellung hat, sowie ebenso Konstellationen, in denen er aufgrund der Ausübung seiner Staatsgewalt Wissen schafft. In beiden Konstellationen muss der Staat aufgrund rechtsstaatlicher Vorgaben Begründungen für sein Handeln finden. Grundprinzipien wie etwa das Rechtsstaatsprinzip sind damit die Ordnungsregeln, unter denen der Staat und seine Akteure Wissen finden oder Annahmen treffen können, aufgrund derer – möglicherweise in Grundrechte eingreifende – Entscheidungen ergehen.
I. Spontane Ordnungen
Die Annahme eines Entdeckungsverfahrens knüpft an die bereits erwähnten Unsicherheiten und die Relevanz des Zufalls im Wettbewerb an, indem hiernach das Überwinden der äußeren Umstände des Unwissens als wettbewerbsprägend angesehen wird. Das Fehlen vollkommener Informationen ist also nicht Mangel, sondern Bedingung des Wettbewerbs, da die teilnehmenden Wirtschaftssubjekte hierdurch überhaupt erst ihre eigenen Zwecke im Wettbewerb definieren können.[9] Entdeckt und erklärt werden sollten bei diesem Verfahren Tatsachen, die bislang entweder unbekannt oder ungenutzt waren.[10] Das Wissen über den und im Wettbewerb sei in tatsächlicher Hinsicht ungleichmäßig und zufällig verteilt, sodass nicht von einer vollständigen Information aller Teilnehmer am Wettbewerb ausgegangen werden kann.[11] Vielmehr müssen sich diese ihr Wissen und ihre Kenntnisse zunächst über den Markt an sich und anschließend über die vorhandenen Bedürfnisse aktiv erschließen. Hierdurch entstehe eine spontane Ordnung, die von Hayek als Katallaxie bezeichnet, nicht planmäßig verwendete Mittel im Sinne einer einheitlichen Zielhierarchie.[12] So wie dies im Wettbewerb geschieht, kann auch in anderen sozialen Veranstaltungen ein Entdeckungsverfahren stattfinden. Metaphorisch lässt sich allerdings sogar der Wettbewerb auf das Verhältnis zwischen Grundrechtsträgern und Staat übertragen, etwa wenn es um den Wissensvorsprung des Staates geht. So können sich rechtsstaatliche Fragen dahingehend stellen, wie der Staat an bürgerbelastendes Wissen gelangt.
Die spontanen Ordnungen als solche lassen sich jedoch noch nicht im normativen Sinne als etwas verstehen, das so zu sein hat oder sich bestimmen lässt. Eher noch würden einige dieser Ordnungszustände unter relativer Betrachtung sogar als Chaos wahrgenommen, in dem der Zufall über Krise und Gelegenheit regiert.[13] Stattdessen werden die Ziele der spontanen Ordnung durch die vielfältigen und gegensätzlichen Ziele ihrer Beteiligten vorerst ohne eine spezifische Rangfolge bestimmt, auf deren verstreutes Wissen sie zugreifen kann.[14] Die Kreativität ihrer Akteure, ihre Handlungen und die Durchsetzung der Ergebnisse sind Grundlage von Innovation. Spontane Ordnungen sind also eher als soziale Beobachten zu beschreiben. Die Bewertung dieser sozialen Beobachtungen ist dann wiederum eine Aufgabe des Rechts. Auch Recht erfüllt dabei eine Ordnungsfunktion.
Diese Ordnung kann in verschiedenen Graden verwirklicht werden, stellt also kein zu erreichendes oder statisches Gleichgewicht dar, sondern lässt sich allenfalls wertend über ihren Erfüllungsgrad betrachten. Sie ist relativ zwischen den einzelnen Wirtschaftsubjekten und denjenigen, die Wissen über sie erlangen. Nach von Hayek manifestiert sich in einem hohen Maß an Befriedigung der Erwartungen der Beteiligten, was durch negative Rückkoppelung erfolge, die bereits in der Verbesserung der Chancen im Wettbewerb liegen kann oder durch eine Verfestigung in Tradition.[15] Festhalten lässt sich jedenfalls aus diesen Erkenntnissen bereits, dass Wettbewerb sich selbst in Bezug nimmt und einer eigenständigen Ordnung unterworfen ist, die von seinen Teilnehmern definiert und ständig neu festgelegt wird.[16] Dasselbe gilt für Recht und seine Ordnungsfunktion.
Gleichzeitig ist diese Ordnung nicht als solche vollständig feststellbar, sondern immer nur in einzelnen wahrnehmbaren Ausschnitten zu erkennen, denen man sich über die nicht exakten Methoden der Wirtschaftswissenschaften jeweils annähern kann.[17] Wirtschaft ist nach Podszun in konkreten Funktionszusammenhängen erklärbar, also nach der Ursache und der Wirkung, die aus dem Chaos der katalaktischen Ordnung herausstechen und wahrnehmbar sind.[18] Eine Erklärung außerhalb desr konkreten Zusammenhänge, also abstrakt, ist danach aufgrund des fehlenden universalen Wissens nicht möglich. Innovation kann dabei abhängig vom Betrachtungswinkel Element einer spontanen relativen Ordnung sein, aber ebenso Ausdruck des Chaos‘ sein. Ähnlich verhält es sich mit Wissen über die rechtliche Bewertung des Wettbewerbs und anderer sozialer Umstände.
II. Unpersönlicher Veränderungszwang im Wettbewerb
Besonders an diesem Ansatz des Entdeckungsverfahrens ist die weitere Beschreibung der Motivation wirtschaftlicher Tätigkeit in Bezug auf Wettbewerb. Das beschriebene Entdeckungsverfahren hänge mit einer Art „unpersönliche[m] Zwang zur Verhaltensänderung“ zusammen.[19] Das bedeutet, dass sich die anderen Beteiligten im Wettbewerb notwendig veranlasst sehen können, einen Entdecker nachzuahmen, wollen sie nicht abgehängt werden, gleichzeitig der Entdecker aber dieser Nachahmung zu entfliehen versucht.[20] Dieser Ansatz stellt nicht mehr den Unternehmer und seine Persönlichkeit in den Mittelpunkt der Erklärungsversuche bezüglich eines dynamischen Wettbewerbs, sondern dessen Suche nach Wissen und damit wiederum einer spontanen relativen Ordnung.[21] Zwar lassen sich die Pionierleistungen und die Entdeckungen im Hinblick auf ihren Bezug zu den Veränderungen vergleichen. Auch neu entdecktes oder wiederentdecktes, ungenutztes Wissen kann insofern mit den neuen Kombinationen verglichen werden, sodass dieser Erklärungsansatz in eine Richtung mit denen Schumpeters geht. Der Schwerpunkt dieses Erklärungsansatzes liegt indes nicht in der Frage, wer mit welchen Mitteln die Entwicklung anstößt und was er oder sie damit vorhat, sondern wie dieser Vorgang überhaupt erfolgt.
Wissen ermöglicht gezieltes Steuern der wettbewerblichen Handlungen der Unternehmen.[22] Damit wird Innovation über das sie auslösende Handeln des Unternehmertums hinaus zu einem den Wettbewerb prägenden Umstand, indem sie einerseits seine Ergebnisse darstellen kann, andererseits Ausdruck seines eigenen Wissensschaffungsprozesses ist. Arndt sieht zwar die Informationsgewinnung als nicht allein ausschlaggebend für die Erklärung des Wettbewerbs, da nicht allein das Wissen zu finden maßgeblich sei, sondern sein vielmehr Verwenden beim ständigen Kräftemessen.[23] Allerdings erkennt er die gesellschaftliche Wirkung des Wettbewerbs als Prozess der Bildung menschlicher Gesellschaft. Indem Menschen ein Raum zu individuellen Bildung und Abgrenzung gegeben wird, können sie sich ihm zufolge aus einer gefügigen Herde und einer unterschiedslosen Masse lösen.[24]
Das wettbewerbliche Entdeckungsverfahren und gefundene Wissen können zu Veränderungen beitragen und damit Innovationen fördern.[25] Es lässt sich deshalb an dieser Stelle grundsätzlich zwischen allgemeiner (außer-wettbewerblicher) Innovation und der besonderen Innovation im wettbewerblichen Zusammenhang differenzieren. Letztere als Gegenstand auch dieses Beitrags zeichnet sich dann durch das Entdeckungsverfahren über neue Möglichkeiten zur wettbewerblichen Entfaltung und Wahrnehmung dieser neuen Möglichkeiten aus. Unterschiedlich danach, in welchem Umfeld dieses Wissen erlangt wird, lässt sich von internen oder externen Innovationen sprechen.[26] Wird eine Entwicklungsmöglichkeit oder eine zukünftige Handlungsoption „innerhalb“ eines Unternehmens entdeckt oder erfolgt sie aufgrund eines Suchprozesses zur Erfindung, so kann es sich hiernach um eine interne Innovation handeln.[27] Das Unternehmen wird dann durch seine aktive Gestaltung innovativ. „Außerhalb“ des Unternehmens gefundenes Wissen könne dagegen Ursprung einer externen Innovation sein, indem das Unternehmen reaktiv innovativ wird, indem es eine Gelegenheit wahrnimmt. Dies gleicht einer Zurechnung von Innovationen nach Sphären. Bei den internen Innovationen wird das Wissen zudem zeitlich „vor“ den Wettbewerbern erlangt, bei den externen Innovationen wird das Wissen erst „im“ Wettbewerb erlangt. Eine Abgrenzung lässt sich hier nicht genau ziehen und wird häufig von der jeweiligen Unternehmensstruktur abhängen. Auch die Frage nach der Wirkung des jeweiligen unpersönlichen Zwangs zur Verhaltensänderung kann hier keinen Aufschluss geben, da ebenso die Motivation zur Suche nach Wissen innerhalb des eigenen Unternehmens durch externen Druck ausgelöst werden kann. Die Differenzierung zwischen internen und externen Innovationen weist vielmehr auf eine weitere Besonderheit des Wettbewerbsprozesses als Entdeckungsverfahren hin, nämlich die Verborgenheit des Wissens vor seinem Auffinden.[28]
Wettbewerblicher Erfolg in diesem Suchprozess zeichnet sich danach aus, welches Unternehmen schneller und besser Wissen erlangt und gewinnbringend umsetzt. Bei einer internen Innovation bleibt das Wissen weiterhin vor den Wettbewerbern verborgen. Ein außerhalb des Unternehmens gefundenes Wissen steht dabei möglicherweise auch anderen Unternehmen zur Verfügung. Durch die Preisgabe von Wissen kann eine interne Innovation für andere Unternehmen zur externen Innovation werden. Die Unterscheidung zwischen internen und externen Innovationen kann wiederum im Zusammenhang mit dem wettbewerblichen Wirken digitaler Plattformen bewertet werden. Denn soweit diese es schaffen, den Wettbewerb um einen Markt für sich zu entscheiden, können sie den Suchprozess zur Innovation internalisieren.
III. Unwissens-Dilemma der spontanen Ordnungen
Allerdings hielt von Hayek einen Nachweis über die Wirksamkeit und Intensität des Entdeckungsverfahrens nicht für möglich.[29] Dies liege vor allem darin begründet, dass eine Beurteilung der Entdeckung und ihrer Ergebnisse nicht ex ante vorgenommen werden könne, sondern erst im Falle oder nach dem Grade ihres Eintretens vorgenommen werden kann.[30] Weiterhin sei es nicht möglich, ein einzelnes Produkt aus der Summe der erfüllten Erwartungen zu bilden, da die spontane Ordnung einer Vielzahl an gegenläufigen Zielen dient und keine Gewichtung vorgegeben sei.[31] Es sei stattdessen lediglich eine vergleichende historische Untersuchung anhand bereits vorhandener Informationen über den Ausgang und damit auch über Innovation möglich.[32] Zudem kann eine Berechnung des Optimums nicht anhand eines zu erreichenden Ziels vorgenommen werden. Sowohl die Ordnung als auch das Optimum sind demnach regelmäßig unklar. Denn wenn wie dargestellt die Ziele der spontanen Ordnung durch ihre vielfältigen und gegensätzlichen Partikularziele der Beteiligten ausgemacht werden, kann es kein allgemeines übergeordnetes, maßstabgebendes Ziel geben. Es lässt sich vielmehr lediglich eine normative und qualitative Bewertung darüber anstellen, wie gut diese Ordnung wirkt.
Damit stellt sich auch hier das Problem der Feststellbarkeit über den Grad oder Wert der mit dem dynamischen Wettbewerb verbundenen Vorteile. Für die Zwecke dieses Beitrages lässt sich aber festhalten, dass das Entdeckungsverfahren eine Zukunftsgewandtheit beinhaltet und das Wissen über diese Zukunft und seine Entwicklungen zum Gegenstand hat. Es besteht aber auch ein Gegenwartsbezug in der Form, dass diejenigen Informationen über derzeit laufende wettbewerbliche Prozesse regelmäßig vielen Unternehmen nicht bekannt sind.[33] Podszun sieht damit Wissen als immer unvollständig und damit Unwissen bleibend an.[34] Damit ist die Einsicht gemeint, dass ein vollständiges Wissen nie möglich sein wird, sondern es immer nur den Versuch einer Annäherung geben kann. Spontane Ordnungen entstehen, wenn ein Unwissen in Wissen umgewandelt wird, was durch Innovationen erfolgen kann. Innovation ist damit auch Wissen um eine Position in dieser Ordnung, mit der sich ihr Inhaber von anderen abhebt und nach der andere Unternehmen ebenso streben. Im Rahmen des Suchprozesses nach ständig neuem Wissen kann es zu der bereits beschriebenen schöpferischen Zerstörung im Wettbewerb kommen.
IV. Aufmerksamkeit im Wettbewerb und Dynamik
Als Gegenpol zum Suchprozess des Wettbewerbs lässt sich die Wahrnehmung von Informationen anführen. Nicht allein das Suchen und Finden neuen Wissens durch den Unternehmer ist nämlich im Wettbewerb ausschlaggebend. Entscheidungen im Wettbewerb werden von einzelnen Personen auf der Basis des ihnen zur Verfügung stehenden Wissens getroffen. Dieses Wissen verschaffen sie sich selbst oder erhalten dieses durch Dritte. Entscheidungsträger sind aber nicht nur die Unternehmer, sondern auch deren Abnehmer, die Marktgegenseite und die Endkonsumenten. Im Wettbewerb wie auch außerhalb dessen in realen Sozialverhältnissen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Informationen verdeckt sind und nicht gleichmäßig zur Verfügung stehen. Sie müssen erst noch entdeckt werden. Das erfolgreiche Vordrängen eines Pioniers liegt also in der Verwertung von Informationen und nicht allein in der Anpassung.[35] Ebenso werden Informationen für die Endkonsumenten verfügbar gemacht.
Im Rahmen der technologischen Entwicklungen der Digitalwirtschaft haben Informationen eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Dies hängt nicht allein mit der Anerkennung zusammen, dass die Wirtschaftsteilnehmer nicht, wie noch in den klassischen Theorien vertreten, allwissend und rational sind. Das Wissen und seine Vermittlung wird ebenso zum Gegenstand des Wettbewerbs.[36] Es kommt nicht allein darauf an, wer im Suchprozess als erstes Wissen erlangt hat, sondern wer dieses bestmöglich für sich oder andere verwertet, also als Pionier wahrgenommen wird.[37] Die Information des Einzelnen oder ganzer Gruppen wird notwendig, um diesem eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen, damit diese wiederum Entscheidungen am Markt treffen können, womit sich die qualitative Selektionsfunktion des Wettbewerbs darstellt.[38] Das erfordert aber wiederum einen ständigen Prozess des Informationsaustauschs über die zur Verfügung stehenden Angebote und die möglichen Nachfragen. Wissen im Wettbewerb wird dabei nicht nur entdeckt, sondern auch geteilt. Beides kann für die verschiedenen Akteure Lernprozesse eröffnen, wodurch Wissen im Wettbewerbsprozess „diffundiert“ oder verändert wird, aber auch selbst Veränderungen auslösen kann.[39]
Wettbewerb und ebenso Rechtsfindung ist nicht nur ein Entdeckungsverfahren, sondern auch ein Erklärungsverfahren.[40] Das bedeutet, dass gefundenes Wissen nicht stets allgemein geheim bleibt oder nur von den Akteuren für sich allein verwertet wird. Wollen sie ihre Entdeckung wirtschaftlich günstig für sich auswerten, so bleibt ihnen zum einen häufig nichts anderes übrig, als ihr Wissen über die Entdeckung mit anderen zu teilen. Zum anderen kann dies Teil der gewollten Wettbewerbsstrategie sein, nämlich das gewonnene Wissen zu verwerten. Für die bislang das Wissen nicht innehabenden anderen Wettbewerbsteilnehmer kann dies der Anlass sein, dem Entdecker-Unternehmen ihre Aufmerksamkeit zu schenken, um dann mit Informationen und Wissen belohnt zu werden. Gleichzeitig übernehmen digitale Plattformen die Aufgabe von Informationsvermittlern und entlasten ihre Nutzer von dem Aufwand, selbst die für sie wichtigen Informationen zu suchen. Verstärkt wird dies noch dadurch, dass nicht nur von fehlender vollständiger Rationalität der Wirtschaftssubjekte auszugehen ist, sondern mehr noch von dynamisch nachlassenden kognitiven Fähigkeiten und Motivationen zur Informationsverarbeitung und -gewichtung.[41] Damit steht anders als bei den klassischen Wettbewerbstheorien nicht der umfassend wissende und rational handelnde Homo Oecomicus im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern ein nach den Umständen des Einzelfalls relativ unwissender und darauf seine Entscheidungen stützender Wirtschaftsteilnehmer.[42] Dies bringt für den weiteren Verlauf dieses Beitrags die Erkenntnis mit sich, dass es kein absolutes Wissen gibt, sondern dieses stets relativ ist.[43]
V. Dynamik des Wettbewerbs und Begründungsprozess
Schließlich zeigt sich im Kartellrecht eine Besonderheit bei der Findung und Anwendung des Rechts darin, dass sich der Schutzzweck selbst ständig verändert, indem die Wettbewerbsteilnehmer ihre Wettbewerbsfreiheiten ausüben und dabei deren Schutzbereiche ständig weiter ausdehnen und neu erkunden. Dies beeinflusst die teleologische Auslegung der positiv geregelten Vorschriften insofern, als dass die jeweils vorliegenden tatsächlichen Umstände, ökonomischen Annahmen und rechtlichen Prinzipien bei der Ausfüllung der jeweiligen Vorschriften herangezogen werden müssen. In diesen Zusammenhang können die kartellrechtlichen Schadenstheorien gestellt werden, wie sie von den Behörden definiert und angewandt werden.[44] Diese stellen nicht für sich geltendes Recht dar, das als solches einzuhalten ist und damit eine Entscheidung über die kartellrechtliche Zulässigkeit darstellt. Vielmehr bieten sie tatsächliche Erklärungsansätze für ökonomische Lebenssachverhalte, die unter dem geltenden Recht anerkannt sein müssen. Sie können insofern der vereinfachten Darstellung dienen.
B. Wissensfindung und rechtliche Ordnung
Wie in kartellrechtlich zu bewertenden Sachverhalten kann auch darüber hinaus die Anwendung des geltenden Rechts in dynamischen Sachverhalten Unsicherheiten unterworfen sein. In diesen dynamischen Sachverhalten stellt sich dann die Frage nach der rechtsfehlerfreien Erklärung staatlichen Handelns. Neben der gesetzespositiven und der überpositiven Rechtsbegründung kommt für das Kartellrecht oder ähnliche Vorschriften mit offenen Tatbeständen maßgeblich die Positivierung bzw. Rechtsbildung durch den Richter und die Kartellbehörde als Anwender des Rechts in Betracht.[45] Dies hat im europäischen wie auch im deutschen Kartellrecht eine besonders große Bedeutung. Zum einen handelt es sich um ein Rechtsgebiet, das sehr stark durch unbestimmte Rechtsbegriffe[46] geprägt ist. Daraus ergibt sich eine starke Verlagerung rechtlich erheblicher Entscheidungen auf den Rechtsanwender, insbesondere die Verwaltung und Justiz, aber auch die von den Verbotsvorschriften betroffenen Unternehmen.[47] Die unbestimmten Rechtsbegriffe des Kartellrechts eröffnen Entscheidungsspielräume. Diese können auf der tatbestandlichen Würdigungsebene in Form von Beurteilungspielräumen vorliegen, sowie auf der Rechtsfolgenebene in Form von Ermessensspielräumen.[48] Diese übertragenen Entscheidungsspielräume verpflichten die Gerichte im Rahmen ihrer Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG, ihre Entscheidungen danach zu fällen, dass diese dem Recht entsprechen, also unmittelbar selbst Recht sind.[49] Damit sind diese Vorschriften selbst innovationsoffen und im Rahmen dessen effektiv auszulegen.[50] Hieraus folgt, dass die richterlichen Einzelfallentscheidungen selbst Recht darstellen müssen.[51]
I. Dogmatik als Ordnungssystem
Dogmatik vermag in einem rechtsstaatlichen System mit einer verfassungsrechtlichen Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz die Unsicherheiten bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe überbrücken, da sie mit ihren Diskussionsansätzen wissenschaftliche Erklärungen für rechtliche Begründungen liefern kann.[52] Sie kann als eine Summe historisch gesicherter, vernünftig vertretbarer und kohärenter Argumente beschrieben werden, die sich aus der bisherigen Rechtsanwendungspraxis ergibt und ein rechtsfehlerfreies Vorgehen zur Entscheidungsfindung darstellen.[53] Damit beinhaltet Dogmatik auf den ersten Blick ein Traditionselement. Eine solche Praxis kann auch hinsichtlich der ökonomischen Methoden zur Erkenntnisgewinnung oder auf ihnen aufbauender Annahmen bestehen, sofern diese die jeweilige rechtliche Entscheidung des Einzelfalls stützen können.[54] Die Vertretbarkeit richtet sich dabei zunächst nach der Verfassungsgemäßheit ihrer Methode.
Kommen verschiedene Argumente in Betracht, die sich widersprechen, muss der Richter oder sonstige Rechtsanwender sich entscheiden und eine begründete Auswahl treffen. Damit kann Dogmatik im Recht aufeinander aufbauende Wirkungen ähnlich wie bei Pfadabhängigkeiten haben und Wirkungen ähnlich einer Pfadtreue haben.[55] Eifert beschreibt dies als „sich überlagernde Erzählstrukturen“.[56]
Im Kartellrecht kann es aufgrund der offen formulierten und unbestimmten Tatbestandsmerkmale vorkommen, dass mehrere Argumentationslösungen grundsätzlich wettbewerbstheoretisch vertretbar wären.[57] Insbesondere können ökonomische Annahmen und ihre Berücksichtigung zu teilweise erheblichen Abweichungen in den aus ihnen gezogenen Rechtsansichten führen, wenn sie durch unterschiedliche rechts- oder wettbewerbspolitische Strömungen oder Interessen geprägt sind.[58] Da die europäische wie auch deutsche Wettbewerbsverfassung keine Vorgaben macht, also politisch neutral ist, kann ihr keine vorhergehende ausdrückliche Aussage entnommen werden, außer dass diejenige Entscheidung zu treffen ist, die der Erfüllung der Wettbewerbsfreiheiten und dem Schutz des effektiven Wettbewerbs bestmöglich Rechnung trägt. Historisch gesichert im Sinne des zweiten Satzes dieses Abschnitts meint, dass die Entscheidungspraxis nach dem bisherigen Normzweckverständnis eine zulässige Auslegung darstellt. Dies zielt darauf ab, dass ein Erkenntnisprozess mit Wissensgewinnen auch in der Dogmatik möglich ist, sich das Normzweckverständnis also verändern kann.[59] Dies ist gerade im Wettbewerbsrecht deshalb der Fall, da aufgrund der nicht fest beschreibbaren tatsächlichen Umstände wettbewerblichen Handelns ständig neue Situationen auftreten könnten, die auf ihre kartellrechtliche Zulässigkeit hin untersucht werden müssen. Die aus den unbestimmten und offenen Tatbeständen sich entwickelnde kartellrechtliche Dogmatik beinhaltet also auch ein Innovationselement, das dem Traditionselement entgegensteht und die „Vertiefung der Innovation“[60] im Recht meint.
Aus der Dogmatik kann sich aber eine Ordnung möglicher Begründungssätze oder Regeln auch in Bezug auf dieses Innovationselement ergeben.[61] Hoffmann-Riem benennt dies als eine „angebotsorientierte Rechtsschutzordnung“.[62] Dieser Gedanke kann wiederum auf das Kartellrecht und seine staatliche Durchsetzung übertragen werden, das von den grundsätzlich geltenden Wettbewerbsfreiheiten ausgeht. Sollen diese durch die spezifischen kartellrechtlichen Verbotsvorschriften hinreichend genau erfasst werden, ohne dass der Staat dabei sämtliche möglichen einzelnen wettbewerbsschädigenden Konstellationen vorhersehen kann, müssen diese Vorschriften hinreichend allgemein gefasst sein. Der Gesetzgeber überträgt also die Begründungspflicht für konkret-individuelle Entscheidungen an die Rechtsanwender, indem er Vorschriften in einem Bereich mit unbestimmten Rechtsbegriffen erlässt.[63] Das bedeutet, dass diese mit der Anwendung und dabei Auslegung des jeweiligen unbestimmten Rechtsbegriffs erklären müssen, warum eine bestimmte Entscheidung gelten soll. Dies gilt für staatliche Maßnahmen, soweit diese die Wettbewerbsfreiheit eines Unternehmens gestützt auf die Begründung einschränken, dieses habe gegen eine kartellrechtliche Verbotsvorschrift verstoßen.[64] Dabei haben sie aufgrund der Bindung von vollziehender Gewalt und Rechtsprechung an Gesetz und Recht eine unmittelbare verfassungsrechtliche Verpflichtung zu Anwendung und Auslegung des Begriffs nur in derjenigen Form, die auch verfassungsrechtlich zulässig ist und sich mittels vernünftiger Dogmatik begründen lässt.[65] Dogmatik kann sich ändern, zum einen durch wissenschaftlichen Diskurs und zum anderen durch abweichend begründete Rechtsprechung.[66] Innovationselement bedeutet also, dass auch die Dogmatik selbst einem dynamischen Prozess unterworfen ist.
II. Angemaßtes Wissen
Innovationen als Gegenstand von Entdeckungsverfahren könnten damit aufgrund dieser schwierigeren Nachweismöglichkeit in rechtlicher Hinsicht schlecht fassbar sein. Denn mit einer Zukunftsgewandtheit von Sachverhalten und damit verbundener Unwissenheit geht ein Prognoserisiko einher, das wiederum mit Nachteilen für die Normadressaten verbunden sein kann. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass sich staatliche Entscheidungen aufgrund der unsicheren Tatsachengrundlage einer Prognose als im Nachhinein nicht mehr vertretbar herausstellen. Im Vergleich zu dem tatsächlichen wirtschaftlichen Verlauf wäre dann eine mögliche Maßnahme mit einer als negativ empfundenen Belastung verbunden, zum Beispiel weil wirtschaftliche Entfaltungsfreiheiten übermäßig beschränkt wurden. Zum anderen geht es um die rechtliche Kontrolldichte und Rechtsschutzmöglichkeiten betroffener Unternehmen im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip.[67]
Diese Zweifel, die sich den Argumenten gegen die Gleichgewichtstheorien des Wettbewerbs anschließen, lassen sich zusammenfassen unter dem Einwand der Anmaßung von Wissen.[68] Dies ist zum einen ein verfahrensmäßiger Grundsatz, der sich erneut bei der Frage danach zeigen wird, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsentscheidung über konkrete Einzelfallumstände des Wettbewerbs getroffen werden kann. Zum anderen ist dies bereits auf der materiellen Ebene des Regelungsgegenstandes Wettbewerb insofern ausschlaggebend, als dass ein vollkommenes Wissen über den Wettbewerb selbst aufgrund seiner verstreut und nicht koordiniert handelnden Subjekte nie möglich sein kann.[69] Wissen über den Wettbewerb kann nicht antizipiert werden, sondern lediglich im Rahmen des Rechts eine Auswertung des vorhandenen Wissens darstellen. Dies gewinnt vor allem dann eine Bedeutung, wenn es um die staatliche Durchsetzung des Wettbewerbsrechts geht. Aber auch hinsichtlich des derzeit geltenden parlamentarisch Kartellrechts stellt sich hintergründig die Frage, von welchem Wissen der Gesetzgeber bei dessen Einführung ausgehen durfte. An dieser Stelle kann der Wettbewerb sogar entgegen einer möglicherweise breit gewollten effektiven Durchsetzung des Kartellrechts laufen. Mit Podszun lässt sich dieses Phänomen als „beschränktes Wissen“ bezeichnen.[70] Die rechtliche Bewertung von Innovation schließt damit die Frage danach ein, welches Wissen über konkreten Wettbewerb und seine Umstände überhaupt rechtsfehlerfrei als Grundlage einer staatlichen Entscheidung verwendet werden kann. Mit den vorstehenden Erkenntnissen wird deutlich, dass sich das Schutzgut des Kartellrechts nicht als ein feststehender Zweck erklären lässt, sondern ständig sich ständig in seiner konkreten Bedeutung verändert. Dies bedeutet nicht nur ein Wissensproblem im Wettbewerb, sondern auch eines bei der Auslegung der ihn schützenden Vorschriften. Damit zeigt sich bereits hier, dass die Ausfüllung des Wettbewerbsbegriffs stark von den Intentionen und Zweckwidmungen seiner Teilnehmer geprägt ist.[71] Damit sind Wettbewerb und ähnliche Ordnungen Ausdrücke der jeweiligen Kreativität ihrer teilnehmenden Akteure, mit der diese die Bedingungen der jeweiligen Ordnung gestalten.
III. Dogmatik im rechtlichen Entdeckungsverfahren
Im Weiteren stellt sich die Frage danach, unter welchen Umständen Begründungsansätze Recht bilden können. Rechtliche Wertentscheidungen können grundsätzlich wissenschaftlich auf ihre Wahrheit und Vernunft hin untersucht werden.[72] Dabei ist keine absolute Wahrheit möglich, sondern Entscheidungen bilden lediglich den letzten Stand eines Irrtums ab, wie auch das BVerfG bereits feststellte.[73]
Recht akzeptiert also bis zu einem gewissen Grad eine Ungewissheit, indem es vorläufig endgültige Entscheidungen trifft oder ein Verfahren zur Findung derartiger Entscheidungen zwischen den einzelnen Beteiligten etwa eines Verfahrens anbietet.[74] Letzteres ist mit den unbestimmten Rechtsbegriffen und der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung für ein Verbots-Regime im Kartellrecht der Fall. Bei Erlass der kartellrechtlichen Vorschriften bleibt regelmäßig noch ungeklärt, welche tatsächlichen Fälle genau von ihnen erfasst werden. Dies ist stattdessen eine Frage der rechtswissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung. Rechtsfindung kann also ebenso wie Wettbewerb als Entdeckungsverfahren im Sinne von Hayeks verstanden werden.[75] Auf diesem Wege kann Innovation im Recht stattfinden. Das jeweils entdeckte Recht ermöglicht damit eine Geltung von Wissen bis zu dessen Widerlegung. Dogmatik und Richterrecht dürfen dabei innerhalb des Gesetzesrechts und den Regeln der Logik für andere konkrete Einzelfälle dynamisch fortentwickelt werden, während das positive Gesetzesrecht nur innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen dynamisch fortentwickelt werden kann. Im Konfliktfall des angemaßten Wissens ist also übergreifend danach zu fragen, ob das fragliche Wissen in verfassungskonformer Weise als Grundlage geltenden Rechts verwertbar ist.
An dieser Stelle kommt die Sicherung der Argumentation ins Spiel, die als ihre Überprüfung in einem ständigen Diskurs verstanden werden kann.[76] Wenn nämlich jede Entscheidung nur der letzte Stand eines Irrtums ist, lassen sich hieraus zwei Schlussfolgerungen ziehen. Recht kann erstens verschiedene möglichen Ordnungen anbieten, sodass durchaus auch andere Entscheidungen vertretbar wären, die sich aus der Entwicklung der Dogmatik ergeben. Es können also grundsätzliche Zweifel bleiben, ob eine Entscheidung richtig gewesen ist, solange noch kein rechtlich gesicherter Erfahrungssatz in Form von Dogmatik vorliegt.[77] Diese Zweifel führen zu der zweiten Folgerung, dass die Begründungsansätze stets überprüfbar sein müssen, wenn sie erneut in Entscheidungen eingebracht werden sollen.[78] Recht darf also nicht gegen seinen eigenen Begründungsprozess laufen, da es ansonsten seine Nichtakzeptanz riskieren würde. Das bedeutet, dass auch Recht mehr ist als eine statische Rechtsordnung, sondern vielmehr ein dynamischer Ordnungsprozess nach den Gesetzen der Logik und Widerspruchsfreiheit, dessen Ausgestaltung vor allem durch die Gleichberechtigung der Diskursteilnehmer und deren Teilhabemöglichkeiten geprägt ist.[79] Ähnlich wie im Wettbewerb findet bei diesem Entdeckungsverfahren auch ein Selektionsmechanismus statt,[80] wobei dessen Wirksamkeit im Recht den Grenzen der Bindung an Recht und Gesetz unterworfen ist, weshalb Alexy diesen Vorgang als Sonderfall des allgemeinen Diskurses beschreibt.[81] Innerhalb dieses Entdeckungsverfahrens muss sich der Rechtsanwender rechtsfehlerfrei und verfassungskonform kreativ betätigen. Er muss also notfalls neue Erklärungen für rechtliche Entscheidungen in konkreten Einzelfällen anbieten.
Ein qualitativer Maßstab für die richterliche Kreativität kann dabei nur mittelbar gebildet werden. Denn aufgrund der systematischen Zusammenhänge des Kartellrechts, der verfassungsrechtlichen Grundlagen und der Ausgestaltung expliziter Verbotsvorschriften bei ansonsten unbeschränkt geltender Wettbewerbsfreiheiten dürften nur rechtsfehlerfreie Begründungen herangezogen werden. Sofern diese nicht als vertretbar ausreichen, muss eine Rechtsdurchsetzung ausscheiden und es bleibt bei dem grundsätzlichen freien Entfaltungsraum der betreffenden Unternehmen.
IV. Diskurs und vernünftiger Begründungsprozess im Recht
Zutreffend lässt sich mit Podszun die Analogie eines Evolutionsprozesses für die dargestellten zivilprozessualen Verfahren heranziehen, da die dort geregelten prozessrechtlichen Vorschriften als Begrenzungen des Beibringungsgrundsatzes den Diskursvorgang aktiv gestalten.[82] Dies muss mit der auf die Durchsetzung einer Argumentation bezogenen Einschränkung weiter gedacht werden, dass eine formelle Aussortierung nach Verfahren ebenso wie ein sonstiger sozialdarwinistischer Ansatz in der Rechtsordnung nicht nachvollziehbar begründbar ist.[83] Ein rein evolutorischer Ansatz ist aus Gründen der Gleichberechtigung des Diskurses und des Rechtsstaatsprinzips nicht hinnehmbar.[84] Denn kein Evolutionselement entscheidet über die Durchsetzung der Argumentation, sondern ihre Argumentationsstärke selbst und die rechtliche Akzeptanz dieses Arguments im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung.[85] Im Fall der kartellrechtlichen offenen Tatbestände mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen besteht die Dogmatik vor allem in „verdichteten Fallgruppen“, die in der Rechtsprechung ausgebildet werden.[86] Die rechtliche Geltungskraft der Dogmatik ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Bindung der staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz. Besteht also eine bereits abgesicherte Rechtsprechung für eine bestimmte Interessenlage, so soll von dieser nur abgewichen werden können, wenn es sich entweder bereits um eine in tatsächlicher Hinsicht unterschiedliche Interessenkonstellation handelt oder aber aufgrund neuer Erkenntnisse eine abweichende Entscheidung verfassungsmäßig begründet werden kann. Das kann in Bezug auf den vermeintlichen Evolutionsprozess des Wissens wiederum nur bedeuten, dass auch dieser durch einen Selektionsprozess hinsichtlich sachlich gerechtfertigter Begründungen stattfinden muss. Henke beschreibt den wesentlichen Unterschied des Evolutionsprozesses im Recht von der biologischen Evolution damit, dass ein bewusster sozialer Informationsaustausch stattfindet.[87] Damit beantwortet sich die Frage, was Recht ist, nicht danach, was als solches Ergebnis allein vernünftig ist, sondern was aufgrund eines vernünftigen Begründungsprozesses als Ergebnis geschaffen wird.[88]
Dies gewinnt wiederum eine Bedeutung für die kartellrechtliche Methode, wenn es um das wirtschaftliche Verhalten betroffener Unternehmen geht. Denn nicht das Ergebnis des Prozesses selbst oder das Verhalten allein des jeweils betroffenen Unternehmens kann dabei Gegenstand einer staatlichen Vernunftbetrachtung sein. Auch im Wettbewerb und seiner kartellrechtlichen Betrachtung ist Recht und dessen vernünftige Begründung eine Vorgehensfrage. Damit ist nicht lediglich ein wirtschaftliches oder gar effizientes Ergebnis als mögliche Erklärung oder Rechtfertigung wettbewerblichen Verhaltens zu sehen, sondern darüber hinaus können sich weitere vernünftige Begründungssätze ergeben, deren Auswahl wettbewerblich unter den dargestellten Bedingungen der verfassungskonformen richterlichen Rechtssetzung erfolgt.[89] Auch auf den ersten Blick ineffizientes Verhalten kann angesichts des Auslebens der Wettbewerbsfreiheiten vernünftig begründet werden. Ein Betrachtungsmaßstab allein nach als vernünftig empfundener Effizienz würde dagegen zum einen die Anmaßung von Wissen bedeuten und zum anderen zu einer Verschiebung des Betrachtungsmaßstabs hin zu einer Ex-ante-Sicht führen, gerade weil Kreativität als Grundlage der Innovation die Schaffung von Wissen aus dem Chaos bedeutet.[90] Dies ist auch in formeller Hinsicht nicht mit den Wettbewerbsfreiheiten vereinbar, da diesen und damit ihren Trägern eine geringere Argumentationsrolle eingeräumt wird. Ähnliches gilt dann wiederum in einem nicht allein kartellrechtlichen Zusammenhang für weitere Grundrechtsentfaltungen.
Allerdings wird der Erwartungsanspruch an die Diskurstheorie als unrealistisch beschrieben, eine Teilhabe aller zu gewährleisten.[91] Die von ihren Vertretern verlangten Anforderungen scheinen eine ideale Sprechsituation zu bedeuten, eine herrschaftsfreie Kommunikationsform, in der jeder Teilnehmer die gleichen Rechte hat sich einzubringen.[92] Dies ähnelt wiederum dem Konzept des vollkommenen Marktes. Bereits aus praktischen Gesichtspunkten wird sich die mit der geforderten idealen Sprechsituation einhergehende vollkommene Informiertheit und Rationalität der Teilnehmer nicht herstellen lassen. In besonders komplexen Sachverhalten wird dies noch einmal verstärkt, weshalb sich zunehmend die Forderung nach einer ganzheitlichen Betrachtung auch in richterlichen Entscheidungen stellt.[93] Zudem haftet diesem Erklärungsansatz wiederum ein schwer bei Innovation und Kreativität begründbares überpositivistisches Element der Vernunftbegründung an. Rüthers/Fischer/Birk entnehmen aus diesen Zweifeln eine methodische Voraussetzung einer steten kritischen Selbsthinterfragung und Begründung.[94] Statt eines Vernunftelements müsste vielmehr die offene Frage gestellt werden, was bezogen auf die konkrete zu bewertende Situation unter Einbeziehung der jeweiligen relevanten Personen und ihrer erheblichen Argumente als vernünftig vertretbar anzusehen ist.[95] Das würde ähnlich wie bei der Erklärung des Wettbewerbs als dynamischem Prozess bedeuten, dass es in dem Diskurs über das Recht auf die Offenheit und potenzielle Zugänglichkeit des Prozesses selbst ankommt.[96] Unterschiedlich kann dabei aufgrund der spezifischen prozess- oder verfahrensrechtlichen Positionen der Adressatenkreis sein. Das bedeutet, dass je nach den konkreten Anforderungen des materiellen, aber auch des prozessualen Rechts die Positionen für eine Begründung durch positives Recht festgeschrieben werden können. Dies bedeutet wiederum für die kartellrechtliche Rechtsfindung, dass es auf die Suche nach dem jeweiligen Wissen in der konkreten Falllage ankommt, also ein eigenständiger Suchprozess als Wettbewerb zwischen Behörden und Wettbewerbsteilnehmern stattfindet. Gleichzeitig wird in materieller Hinsicht festgeschrieben, inwiefern Argumente bei der Ausfüllung der kartellrechtlichen Vorschriften herangezogen werden und gewichtet werden müssen.
V. Diskursoffenheit der Wettbewerbsrechtsordnung
Der Kritik Rüthers‘ an einem bestehenden „Richterstaat“[97] kann dies insofern entgegengesetzt werden, als dass die Umsetzung einer Wettbewerbsrechtsordnung mit einer starken Regelungsdichte ohne die dargestellten Handlungs- wie Entscheidungsspielräume wiederum die Gefahr verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheiten umschreibende Grundrechte begründen würde.[98] Ein Wettbewerbsrecht ohne unbestimmte Rechtsbegriffe würde zudem die möglichen Entwicklungen nur unzureichend darstellen.[99] Anders als in anderen positiven Rechtsgebieten geht es im Kartellrecht nicht um die Absicherung eines vollkommenen Harmoniebereichs im Sinne einer statischen Rechtsordnung. Vielmehr beschränken sich die Vorschriften des Kartellrechts lediglich auf die Regelung dessen, was nicht zulässig ist, gerade um den verfassungsrechtlich zu schützenden Interessen bestmöglich gerecht zu werden. Unbestimmte Rechtsbegriffe stehen zudem häufig im Zusammenhang mit Deregulierungstendenzen des Staates.[100] Zum anderen ist das Kartellrecht tatsächlich stark kasuistisch geprägt, was in einem scheinbaren Widerspruch zu der Anspruchshaltung auf Bereitstellung vorheriger, klarer abstrakt-genereller Vorschriften steht. Regelmäßig befassen sich richterliche und behördliche Entscheidungen mit der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kartellrechts. Diese Entscheidungen haben eine rechtlich angeordnete unmittelbare Wirkung auf die Beteiligten eines Verfahrens oder Rechtsstreits. Sie vermögen auch die kartellrechtliche Dogmatik zu prägen, indem sie Diskussionssätze für die Auslegung der kartellrechtlichen Generalklauseln formulieren.[101]
C. Zusammenfassung
Die Fortbildung des Rechts kann ebenso wie in anderen Zusammenhängen als Entdeckungsverfahren beschrieben werden. Entdeckt werden sollen mit der Verfassung und höherem Recht zu vereinbarende Entscheidungsmöglichkeiten und Begründungsansätze für eine bestmögliche Auswahlentscheidung unter den in Betracht kommenden Entscheidungsmöglichkeiten. Das Finden der Entscheidungsmöglichkeiten muss dabei im Wege des rechtlichen Sonderdiskurses erfolgen, wie ihn Alexy bereits beschrieb. Dieser Sonderdiskurs ist ebenso den Regeln eines Entdeckungsverfahrens unterworfen. Dabei erfolgt jedoch die Aussortierung der Lösungsansätze nicht nach evolutorischen Kriterien, sondern nach der rechtlichen Vertretbarkeit innerhalb der allgemeinen Rechtssätze der Verfassung und des höherrangigen Rechts.
Dies zeigt jedoch auch, dass gleichzeitig bei der Anwendung des Rechts die verfassungsrechtlichen Grundlagen und Schranken beachtet werden müssen. Dies kann in innovationsgeneigten Sachverhalten zu einer verfassungsmäßigen Pflicht zur Kreativität führen in der Form, dass sich der Rechtsanwender nicht in der Reproduktion einer vermeintlichen juristischen Lösung erschöpfen darf, sondern er innerhalb des Rechtsrahmens neue Lösungen entwickeln muss.
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[1] Der Beitrag baut auf der Dissertation des Autors auf, Louven, Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen, Frankfurt am Main, 2021.
[2] Wieddekind, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung. Schlüsselbegriffe und Anwendungsbeispiele rechtswissenschaftlicher Innovationsforschung, Baden-Baden, 2002, S. 134 (148).
[3] Zum damit einhergehenden Widerspruch zwischen Wettbewerb und Innovation nach dieser herkömmlichen Betrachtung vgl. Kerber/Schwalbe, in: Säcker/Bien/Meier-Beck/Montag, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht: Band 1, 3. Aufl. 2020, Einleitung B., Rn. 99.
[4] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, Tübingen, 1969, S. 249 ff.; von Hayek, ORDO 1975, S. 12 (13); dies markant als stets Unwissen bleibendes Wissen beschreibend Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 117; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, Tübingen, 2008, S. 122; zusammenfassend Kerber/Schwalbe, in: Säcker/Bien/Meier-Beck/Montag, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht: Band 1, 3. Aufl., 2020, Einleitung B., Rn. 102; Grundmann/Möslein, ZfPW 2015, S. 435 (436 f.); Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Köln, 1983, S. 47.
[5] Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen, 1978, S. 8; so auch Möschel, JZ 2000, S. 61 (67).
[6] Insofern auf den Unterschied zu dem Unternehmertypus bei Schumpeter hinweisend Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen, 1978, S. 65.
[7] Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen, 1978, S. 8 f.
[8] Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen, 1978, S. 103.
[9] Möschel, JZ 1975, S. 393 (394); Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum, Tübingen, 1978, S. 53; Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 121.
[10] Müller, Wettbewerb, Unternehmenskonzentration und Innovation, Göttingen, 1975, S. 56; von Hayek, in: Kerber, Die Anmaßung von Wissen, 1996, S. 102 (112).
[11] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 110.
[12] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, 1969, S. 249 (254 f.).
[13] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 26.
[14] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, Tübingen, 1969, S. 249 (255); erläuternd hierzu Hoppmann, in: Goldschmidt/Wohlgemuth, Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, 2008, S. 658 (661).
[15] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, Tübingen, 1969, S. 249 (255 f.); von Hayek, in: Kerber, Die Anmaßung von Wissen, 1996, S. 76 (84).
[16] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 115; bereits Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, Tübingen, 1984, S. 5.
[17] Von Hayek, ORDO 1975, S. 12 (13); von Hayek, in: Kerber, Die Anmaßung von Wissen. Neue Freiburger Studien von F. A. von Hayek, Tübingen, 1996, S. 76 (88 ff.).
[18] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 117.
[19] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, Tübingen, 1969, S. 249 (261).
[20] Vgl. hierzu aber Kerber, in: Vanberg, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb. Erich Hoppmann und die aktuelle Diskussion, Tübingen, 2012, S. 169 (172), wonach einerseits von einem auf Innovationen abzielenden Entwicklungswettbewerb und andererseits einem gleichgewichtsorientierten Anpassungswettbewerb ausgegangen werden könne, die zwar voneinander unterschieden werden könnten, nicht aber sich gegenseitig ausschlössen.
[21] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 121.
[22] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 117.
[23] Arndt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, Berlin, 1952, S. 45.
[24] Arndt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, Berlin, 1952, S. 45 f.
[25] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 293.
[26] Vgl. so bereits Mansfield, Management Science 1988, S. 1157 (1159 ff.); Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, Baden-Baden, 2004, S. 54.
[27] Zur Unterscheidung zwischen innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Einsparungen bereits Schumpeter, Konjunkturzyklen, Göttingen, 1961, S. 99.
[28] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, Tübingen, 1969, S. 249 (249 f.); Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 117, 121.
[29] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, Tübingen, 1969, S. 249 (250, 255); beachte hier bereits den Unterschied zwischen der Effizienz der oben genannten Pionierleistungen und der Effektivität des hier besprochenen Verfahrens.
[30] Zusammenfassend hierzu Schmidt, in: Joost/Oetker/Paschke, Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag, München, 2011, S. 937 (943).
[31] Von Hayek, in: von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze von F. A. von Hayek, Tübingen, 1969, S. 249 (255).
[32] Bester, Theorie der Industrieökonomik, Berlin, Heidelberg, 2017, S. 177; Bundeskartellamt, Innovationen – Herausforderungen für die Kartellrechtspraxis v. 9.11.2017, S. 3, http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Schriftenreihe_Digitales/Schriftenreihe_Digitales_2.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 14.12.2019).
[33] Dieses Problem stellt sich insbesondere auch im Zusammenhang mit der hier nicht weiter zu vertiefenden effektiven Kartellrechtsdurchsetzung im Zusammenhang mit dem Amtsermittlungsgrundsatz der Behörden, siehe hierzu unter anderem Kerber, Wirtschaftsdienst 2016, S. 287 (288); Die zuständigen Kartellbehörden sind verpflichtet, bei Eingriffen gegenüber Unternehmen die erforderlichen Informationen zu ermitteln. Gelingt ihnen dies nicht oder nicht ausreichend, kann es zu einer als nicht ausreichend oder nicht wirksam empfundenen Durchsetzung des objektiven Kartellrechts kommen, da Wissensmängel zulasten der staatlichen Durchsetzung gehen. Bei der privaten Kartellrechtsdurchsetzung gilt dagegen weitgehend der Beibringungsgrundsatz, der das Problem fehlenden Wissens zulasten einer Partei löst.
[34] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 117.
[35] Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, Tübingen, 2008, S. 122.
[36] Arrow, REStud 1962, S. 155 (157).
[37] Robinson/Kalyanaram/Urban, RIO 1994, S. 1 (19).
[38] Arndt, Kapitalismus, Sozialismus, Konzentration und Konkurrenz, Tübingen, 2. Aufl., 1976, S. 56.
[39] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 119.
[40] Ähnlich bereits Kerber/Schwalbe, in: Säcker/Bien/Meier-Beck/Montag, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht: Band 1, 3. Aufl. 2020, Einleitung B., Rn. 107.
[41] Simon, AER 1979, S. 493 (496); Haucap, Eingeschränkte Rationalität in der Wettbewerbsökonomie v. 1.12.2010, S. 1, http://www.dice.uni-duesseldorf.de/Wirtschaftspolitik/Dokumente/008_OP_Haucap.pdf (zuletzt abgerufen am 14.12.2019); hierauf hinweisen im Zusammenhang mit dem noch zu diskutierenden Ausbeutungsmissbrauch durch digitale Plattformen auch Thomas, NZKart 2017, S. 92 (94).
[42] Simon, AER 1979, S. 493 (496); siehe auch so Bundeskartellamt, Wettbewerb und Verbraucherverhalten – Konflikt oder Gleichlauf zwischen Verbraucherschutz und Kartellrecht? v. 6.10.2016, S. 7, https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/AK_Kartellrecht_2016_Wettbewerb_und_Verbraucherverhalten.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (zuletzt abgerufen am 14.12.2019).
[43] Kerber/Schwalbe, in: Säcker/Bien/Meier-Beck/Montag, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht: Band 1. 3. Aufl. 2020, Einleitung B., Rn. 108; allgemein zum rechtstheoretischen Hintergrund Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl., 2018, Rn. 285 ff.
[44] Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 4. Aufl., 2020, § 7, Rn. 19, 195.
[45] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 525; Guski, ZWeR 2012, S. 243 (266); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. 86. Aufl., 2019, Art. 20 GG, Rn. 65.
[46] Schmidtchen, in: Vanberg, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb. Erich Hoppmann und die aktuelle Diskussion, Tübingen, 2012, S. 79 (85 f.); Simonis, in: Sauer/Lang, Paradoxien der Innovation. Perspektiven sozialwissenschaftlicher Innovationsforschung, Frankfurt (Main), 1999, S. 149 (231); Lepsius, VVDStRL 2004, S. 264 (273 ff.).
[47] Ähnlich so schon in Bezug auf einfachgesetzliche Wirtschaftsvorschriften und ihre methodische Verwertbarkeit Mestmäcker, in: Sauermann/Mestmäcker, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung. Festschrift für Franz Böhm zum 80. Geburtstag, Tübingen, 1975, S. 383 (393); Weyer, in: Kokott/Pohlmann/Polley, Europäisches, deutsches und internationales Kartellrecht. Festschrift für Dirk Schroeder zum 65. Geburtstag, Köln, 2018, S. 915 (916).
[48] Guski, ZWeR 2012, S. 243 (259 f.)
[49] Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl., 2019, S. 266.
[50] Scherzberg, VVDStRL 2004, S. 214 (233).
[51] Weyer, in: Kokott/Pohlmann/Polley, Europäisches, deutsches und internationales Kartellrecht. Festschrift für Dirk Schroeder zum 65. Geburtstag, Köln, 2018, S. 915 (917); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. 86. Aufl., 2019, Art. 20 GG, Rn. 65
[52] Hassemer, ZRP 2007, S. 213 (217), vgl. auch Ladeur, RabelZ 2000, S. 60 (79); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl., 2018, Rn. 288.
[53] Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl., 2019, S. 264, 272, 351, 430; Volkmann, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, Baden-Baden, 2016, S. 63 (82 f.); Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 213 weist an dieser Stelle auf die Verfestigung von Entscheidungen hin, der sogenannten Pfadtreue.
[54] So im Ergebnis deutlich Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, Tübingen, 2. Aufl., 2012, S. 623; Hoppmann, in: Goldschmidt/Wohlgemuth, Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, Tübingen, 2008, S. 658 (670).
[55] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 213; Roßnagel, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovationsfördernde Regulierung, Berlin, 2009, S. 323 (337); so auch Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 124, indem dieser auf die Selektionsmöglichkeit im Zusammenhang mit der Erklärbarkeit verweist, die sich auch auf die dogmatisch stichhaltige und rechtsfehlerfreie Erklärung beziehen muss; ähnlich Volkmann, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, Baden-Baden, 2016, S. 63 (82).
[56] Eifert, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, Baden-Baden, 2016, S. 35, (48).
[57] Eifert, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, Baden-Baden, 2016, S. 35 (46).
[58] Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts. 4. Auflage 2020, § 7, Rn. 3.
[59] Weyer, in: Kokott/Pohlmann/Polley, Europäisches, deutsches und internationales Kartellrecht. Festschrift für Dirk Schroeder zum 65. Geburtstag, Köln, 2018, S. 915 (917); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. 86., Aufl. 2019, Art. 20 GG, Rn. 108.
[60] Eifert, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, Baden-Baden, 2016, S. 35 (49).
[61] Hassemer, ZRP 2007, S. 213 (218); vgl. so auch Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 141; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl. 2019, S. 351; Eifert, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, Baden-Baden, 2016, S. 35 (49).
[62] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 294 m. w. N.
[63] Dies gilt auch im Übrigen hinsichtlich ansonsten auslegungsbedürftiger Begriffe. Es bleibt bei der Pflicht des Gesetzgebers zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Pflichten bei Erlass abstrakt-genereller Rechtsnormen. Vgl. zur Begründung richterlicher Entscheidungen auch Hassemer, ZRP 2007, S. 213 (218); ähnlich und mit dem Bezug zu Veränderungen im Realbereich Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 526; Weyer, in: Kokott/Pohlmann/Polley, Europäisches, deutsches und internationales Kartellrecht. Festschrift für Dirk Schroeder zum 65. Geburtstag, Köln, 2018, S. 915 (916 f.).
[64] Spiegelbildlich hierzu betrifft dies ebenso die betroffenen Unternehmen bei der ihnen obliegenden Einschätzung über die Zulässigkeit ihres Handelns. Allerdings ergibt sich für diese daraus nicht die Pflicht zur Abwägung möglicher rechtlicher Bewertungen untereinander, sondern vielmehr sind sie als allgemein Verpflichtete zur Beachtung der kartellrechtlichen Vorschriften angehalten. Das bedeutet, wollen sie sich nicht einem Haftungsrisiko aussetzen, dass sie sich an einer möglichst für sie ungünstigen Auslegung orientieren müssen.
[65] Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. 86. Aufl., 2019, Art. 20 GG, Rn. 65.
[66] Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. 86. Aufl., 2019, Art. 20 GG, Rn. 65.
[67] Mohr, ZWeR 2015, S. 1 (12).
[68] Von Hayek, ORDO 1975, S. 12 (12 ff.); Zöller, ORDO 1979, S. 117 (120); Kirsch, ORDO 2004, S. 3 (5); Kerber, Wirtschaftsdienst 2016, S. 287 (288); Schmidtchen, ORDO 2004, S. 127 (139 f.); Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, Baden-Baden, 1988, S. 107; in der US-amerikanischen Literatur Hovenkamp, CPI 2008, S. 273.
[69] Schmidt, ORDO 2008, S. 209 (220); ähnlich schon Schumpeter, Konjunkturzyklen, Göttingen, 1961, S. 149 ff.
[70] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 120.
[71] Ähnlich wiederum schon Clark, Competition as a dynamic process, Washington, 1961, S. 63.
[72] Zusammenfassend hierzu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl., 2018, Rn. 582 f.; für die ökonomische Betrachtung kartellrechtlicher Fälle vgl. Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 4. Aufl., 2020, § 7, Rn. 19.
[73] BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 (Kalkar I), BVerfGE 49, 89 = NJW 1979, 359, Rn. 117; ähnlich so auch Schmidtchen, Wettbewerbspolitik als Aufgabe, Baden-Baden, 1978, S. 40.
[74] Hoffmann-Riem, AöR 2006, S. 255 (259).
[75] Vgl. bereits hierzu ebenda, S. 255 (259); Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 142, S. 146; vgl. bereits Okruch, ORDO 2001, S. 131 (134); Eckardt, Technischer Wandel und Rechtsevolution, Tübingen, 2001, S. 97; wohl basierend auf der rechtstheoretischen Diskurstheorie bei Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 2019; ähnlich und unter Verweis auf das Entdeckungsverfahren von Hayeks argumentiert auch Guski, ZWeR 2012, S. 243 (248, 260).
[76] Klarstellend insofern zu der juristischen Diskurstheorie nach Alexy bei Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl., 2018, Rn. 586 ff.; Guski, ZWeR 2012, S. 243 (260).
[77] Hoffmann-Riem, AöR 2006, S. 255 (259).
[78] Guski, ZWeR 2012, S. 243 (259).
[79] Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl. 2018, Rn. 588; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl., 2019, S. 33, 234 f.; Mohr, JZ 2018, S. 685 (685).
[80] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 294.
[81] Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl., 2019, S. 34; die dort erwähnte Dogmatik kann allerdings als solche nur gelten, sofern und soweit sie selbst Gegenstand von Recht und Gesetz ist, was auch Alexy anerkennt.
[82] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 140.
[83] Henke, Über die Evolution des Rechts, Tübingen, 2010, S. 40.
[84] A.A. Abegg, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano, Neue Theorien des Rechts, Stuttgart, 2009, S. 371 (372).
[85] Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl., 2019, S. 264.
[86] Guski, ZWeR 2012, S. 243 (260).
[87] Henke, Über die Evolution des Rechts, Tübingen, 2010, S. 34.
[88] Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl., 2019, S. 221 ff., 264; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 2018, Rn. 587.
[89] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 294.
[90] Eilmansberger/Bien, in: Säcker/Bien/Meier-Beck/Montag, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht: Band 1, 3. Aufl., 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 352; hierzu Acuña-Quiroga, IRLCT 2001, S. 7 (15) mit diesem Einwand aus der US-amerikanischen Wissenschaft.
[91] Kritisch deshalb auch Ladeur, RabelZ 2000, S. 60 (74); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl., 2018, Rn. 590.
[92] Zusammenfassend aus den Theorien Habermas‘ hierzu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl., 2018, Rn. 588.
[93] Vgl. zusammenfassend für deregulierte Bereiche Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 168, woraus sich aber diese Schlussfolgerung auch für andere Bereiche herleiten lässt, die in besonderer Weise zum Beispiel durch Netzwerke miteinander verbunden sind und dadurch wettbewerbliche zusammenhängen. Insofern können sich konkret-individuelle Rechtsentscheidungen in der Praxis auch auf andere Wirtschaftsteilnehmer auswirken.
[94] Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, München, 10. Aufl., 2018, Rn. 594, die die Unmöglichkeit der Herstellung einer idealen Sprechsituation grundsätzlich als Scheitern der Diskurstheorie sehen. Damit stellt sich hier erneut das Dilemma des Liberalismus, der durch die Gewährung der notwendigen Freiheitsrechte die Grundlage für gegen ihn gerichtete Angriffe schafft.
[95] Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 2019, S. 415 f.
[96] Vgl. Ladeur, RabelZ 2000, S. 60 (98) mit seiner Forderung nach einer den Pluralismus anerkennenden dogmatischen Grundeinstellung, die insbesondere in Zeiten zunehmender Vernetzung die Beachtung umfassender Interessen ermögliche; klarstellend so auch Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt am Main, 9. Aufl., 2019, S. 418.
[97] Vgl. hierzu allein Rüthers, NJW 2005, S. 2759; Rüthers, NJW 2011, S. 1856.
[98] Vgl. den Einwand bei Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 169.
[99] Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, Tübingen, 2016, S. 552.
[100] Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 170.
[101] Weyer, in: Kokott/Pohlmann/Polley, Europäisches, deutsches und internationales Kartellrecht, 2018, S. 915 (916); Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, Tübingen, 2014, S. 141.
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